
the pantaloon chronicles
Die besten Geschichten schreibe das Leben, sagt man. Und manchmal hat man das Gefühl, dass diese Geschichten vor allem Dramen sind. Deswegen sammle ich die anderen. Die Komödien. Denn ernst ist das Leben ausreichend oft. Ob die Geschichten alle so passiert sind? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Vielleicht ein bisschen. Aber eigentlich ist das auch gar nicht so wichtig, oder?
Waschsaloon Standoff
Wenn ich darüber nachdenke, dass ich in wenigen Monaten 30 werde, stellt sich mir eine Frage: Sollte es nicht ein Gutachten geben, das bescheinigt, ob eine Person die Zwanziger verlassen darf? Denn ab 30 zählt man irgendwie zu den Erwachsenen. Damit ist die Jugend endgültig vorbei. Level 3. Du hast eine Familie oder zumindest eine sehr ernsthafte Beziehung, ein Auto, einen Job, der Geld einbringt, und überlegst, wie du dieses am besten anlegen kannst, um auch im Alter noch viel davon zu haben.
Ich dagegen sitze Sonntagabend im Waschsalon, da ich weder eine Waschmaschine besitze, noch ausreichend Socken, um länger als eine Woche damit hin zu kommen. Und von diesen sieben Paar Socken befinden sich mindestens 40% in überaus fragwürdigem Zustand. Irgendwie hängen sie am Leben und ich hänge an ihnen. Ich bin zu geizig zum Sockenkaufen.
Aber irgendwie haben Waschsalons auch etwas romantisches. Ich sitze da, mit einem Buch, und genieße die letzten Sonnenstrahlen (die mich da drinnen natürlich erreichen. Nicht.). Der Wind weht durch die offene Salon-Tür und spielt mit meinem Haar (vermutlich tut er nichts dergleichen) und wer weiß, welcher Fremde demnächst durch die Tür spaziert (und sich natürlich unsterblich in eine Frau mit drei Paar löchrigen Socken verliebt).
Ich blättere möglichst elegant die Seite des Klassikers um, den ich gerade lese (Charlie und die Schokoladenfabrik) und da passiert es. Tatsächlich passiert plötzlich alles. Gleichzeitig. Mit einem lauten Knall geht das Licht im gesamten Salon aus und während ich noch verwundert aufblicke, muss ich mit Entsetzen zusehen, wie die automatisierte Tür des Waschsalons gar nicht mal so langsam, dafür umso bestimmter ins Schloss fällt.
Da sitze ich nun. Im Dunkeln. Im Waschsalon. Auf der falschen Seite der geschlossenen Tür. Für eine halbe Minute bewege ich keinen Muskel und versuche zu verarbeiten, was hier gerade passiert ist. Mit den Augen schiele ich in alle Ecken, weil ein Teil von mir irgendwie erwartet, dass gleich ein maskiertes Wesen auf einem Dreirad um die Ecke fährt und unbedingt ein Spiel mit mir spielen möchte.
Doch das Dreirad bleibt aus. Das Licht auch. Was allerdings unbeirrt weiterrumort ist die Waschmaschine mit meiner Ladung Socken. Es sind Situationen wie diese, in denen sich zeigt, wer deine wahren Verbündeten sind. Ein Blick auf die Glastür des Ladens bringt mir eine weitere Erleuchtung – und zwar, dass besagtes Waschsalon Sonntags zwei Stunden eher schließt. Natürlich. Eine Information, die ich in großen Lettern beim Eintreten in den Salon hätte lesen können. Doch ich war vor lauter Wasch-Wut blind gewesen. Und jetzt zahle ich den Preis dafür.
Ein hohes Piepen reißt mich aus meinen Gedanken. Die Socken. MEINE Socken. Ich wage es nicht, von Mutterinstinkt zu sprechen, doch in diesem Moment erwacht die Löwin in mir. Ich würde diesen Waschsalon verlassen. Mit meinen Socken. Koste es, was es wolle.
Entschlossen reiße ich die Tür der Maschine auf, stopfe unaufhaltbar nasse Kleidungsstücke in meine Tasche und wappne mich, dem Endgegner gegenüber zu treten: Der Glasfront. Würde ich die Tür ein schlagen? Würde ich wie ein junger Jackie Chan durch eines der Fenster springen? Noch unentschlossen beginne ich zu rennen, greife mechanisch nach dem Türgriff, um mit all meiner Kraft daran zu ziehen – um schlage mir die Tür beinahe gegen die Stirn.
Sie lässt sich öffnen. Weich wie Butter. Ohne Quietschen, ohne austretendes Giftgas oder einen schrillenden Alarm. Wow. Etwas peinlich berührt eile ich nachhause, doch irgendwie hat die sommerliche Großstadt Luft noch nie so süß gerochen. Riecht so erkämpfte Freiheit? Adrenalin? Mein Weichspüler? Wer kann das schon sagen. Alles, was zählt ist: Ich hab jetzt wieder Socken.
Frühlingsgefühle
Es ist April, was bedeutet, dass sich auch die letzten Schneereste verzogen haben, die Wiesen in zarten Weiß-, Blau-, Gelb- und Rosa-Tönen erstrahlen, die Temperaturen wieder zum Picknicken einladen und plötzlich nicht mehr nur die Tauben vor meinem Fenster das Bedürfnis haben, das nächstgelegene Lebewesen des anderen Geschlechts zu umgarnen. Frühlingsgefühle an jeder Ecke. Und ich kann es nicht anders sagen: Frühlingsgefühle auch bei mir. Volle Möhre. Ich weiß gar nicht wohin mit mir. Ich glaube, dieses Jahr spüre ich es schlimmer als jemals zuvor - dieses unerträgliche Jucken am Gaumen und in den Augen.
Ich huste wie ein 70-Jähriger, der seit er 14 ist Kette raucht, und schaue mich schnell um, ob jemand zusieht, bevor ich gezielt an den nächsten Baum rotze. Wie um alles in der Welt kann ein Mensch eine Allergie gegen den Planeten entwickeln, auf dem er lebt? Wie unfähig kann ein Organismus eigentlich sein? Geräuschvoll ziehe ich die Nase hoch und stelle mich an die schon wieder viel zu lange Schlange beim Bäcker. Ich überlege, wie viele entsetzte Blicke ich ernten könnte, wenn ich jetzt meine Hand in den Mund stecke und beherzt an meinem Gaumen kratze, der sich inzwischen anfühlt, als hätte sich dort eine Ameisenkolonie eingenistet, die gerade einen Ritualtanz um ihre Königin aufführt.
Nach gekonnter Einschätzung der Lage und aufgrund der Tatsache, dass hinter mir noch niemand steht, entschließe ich mich, dass alle Blicke der Welt nicht schlimmer sein können, als dieses mörderische Jucken und schreite zur Tat. Ziemlich schnell stelle ich fest, dass ich bei meiner Berechnung einen Faktor übersehen habe: Die Stärke meines Würgreflexes. Die Antwort auf die Frage von vorhin lautet übrigens: Die entsetzten Blicke von ca. 8 Menschen und einem Kind, das mit dem Finger auf dich zeigt.
Ich versuche mich ab diesem Moment möglichst unauffällig zu verhalten und warte geduldig, während ich schon einmal im Geiste durchgehe, was ich bestellen möchte. Eine Brezel, bitte. Gerne ohne Salz. Vielen Dank, nein, den Zettel brauche ich nicht. Ihnen auch einen schönen Tag, auf Wiedersehen. Endlich stehe ich vor dem leicht gestressten aber trotzdem freundlichen Verkäufer, stoße ein Räuspern aus, das verdächtig an Miss Piggy erinnert, und bestelle selbstbewusst ... eine Zwiebel ohne Salz. Ich frage mich, ob man beim Nasehochziehen den Schleim bis ins Hirn katapultieren kann und lache 2 Oktaven höher, als ich es normalerweise tue, als ich dem hochgradig verwirrten Mann erkläre, dass ich natürlich eine Brezel gemeint hätte.
Auf dem Heimweg google ich, wie weit die nächste Bäckerei entfernt ist. Oder alternativ, wie viel man für ein One-Way-Ticket nach Kuba zahlt.
Nasszellen und andere Ungeheuerlichkeiten
Bis vor kurzem dachte ich, wir leben in einer Zeit, in der Duschen einfach Duschen sind. Manche größer, manche kleiner, die einen komfortabel, die anderen ohne warmes Wasser - aber alle mit dem einen Ziel: dich sauberer zu hinterlassen, als du vorher warst. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass manche Duschen designet wurden, um dir den Rest zu geben. Bis zu meinem letzten Besuch in einem Fitnessstudio in irgendeiner random Stadt in Deutschland.
Denn das Duschen ist für mich wie eine kleine H2O-Medaille, die ich mir selbst nach jedem Workout verleihe. Viel länger als ich sollte, unter viel wärmeren Wasser zu stehen, als mir gut tut, ist besser als Yoga. Wenn jemand aus der Dusche steigt und nicht an einen frisch gekochten Hummer erinnert, hat er eindeutig das Ziel verfehlt.
Entsprechend enthusiastisch schlenderte ich also nach einem erfolgreichen Training in die Umkleide besagten Gyms...und war direkt mit der ersten Herausforderung konfrontiert. Die Duschen hatten keine Tür, sondern nur einen verwinkelten Gang, was üblich für Sanitäranlagen in Fitnessstudios ist. Nicht so üblich ist jedoch, dass die Handtuch-Haken sich am Eingang dieses Gangs befinden. Nach einem prüfenden Blick über die Schulter, um die Besucherdichte der Umkleide zu checken, warf ich also mein Handtuch an den Haken und vollführte einen kurzen, eckigen Eva-Tanz durch die halbe Umkleide bis in die nächste Duschkabine. Ich drehte das Wasser auf "ganz heiß" und drückte auf den Duschknopf. Doch anstatt, wie erwartet, einen warmen Wasserstrahl auf dem Rücken zu spüren, blickte ich auf ein trauriges Rinnsal, das auf Augenhöhe aus der Wand getröpfelt kam. Meiner Augenhöhe, wohl bemerkt. Ich bin keine 1,60m groß und versuchte mir noch vorzustellen, wie meine sehr viel größeren Freunde ihren Reinigungsvorgang in dieser Zelle vollführen würden, als mein Blick auf eine weitere Einstellung fiel. Todesmutig betätigte ich das Rad mit der Erwartung, jetzt vielleicht etwas mehr Wasser geliefert zu bekommen. Fairerweise muss man an dieser Stelle anmerken, dass meine Erwartung absolut erfüllt wurde. Anstatt mit 0,5 bar strömte das Wasser aus der ungewöhnlichen Duschvorrichtung nun mit 300 Sachen, was dazu führte, das es waagerecht, der Schwerkraft trotzend, volles Rohr meinen Augapfel bis zur Hirnrückwand spülte. Blindlings, unter aufkeimender Panik und dem verzweifelten Versuch, neben H2O auch noch irgendwie O2 in meine Lungen zu transportieren, tastete ich nach dem Duschventil und drehte es ein weiteres Mal beherzt in irgendeine Richtung. Schlagartig versiegte der explosive Strom. Ein eigenartiges Geräusch über mir ließ mich Schlimmes erahnen, doch noch bevor ich meinen Blick nach oben bewegen konnte, machte ich meine nächste Begegnung mit den Wassereinstellungen dieser Nasszelle des Grauens. Wasser fiel von oben auf mich nieder. Oder es fiel zumindest von oben nach unten, doch eigenartiger Weise traf mich kein einziger Tropfen. Als ich es wagte, einen Blick auf diese neue Unart zu werfen, blieb ich erstaunt stehen. Etwas Vergleichbares hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen. An der Decke befestigt, befanden sich drei Düsen. Jede von ihnen schoss in schnellen Abständen beinahe Hühnerei-große Wassertropfen ab, doch aufgrund der Ausrichtung der Rohre, entstand dadurch ein Wasserstrudel, der sich gekonnt einmal um meinen Körper herum schlängelte, ohne mich auch nur ansatzweise zu berühren. Beeindruckend. Völlig nutzlos aber beeindruckend.
Um die Sache kurz zu machen: ein paar limbo-artige Verrenkungen später, um doch noch irgendwie etwas Wasser abzubekommen, Eva-Cha-Cha-Cha-te ich mir meinen Weg durch die Umkleide zurück zu meinem Spind und stand kurze Zeit später angezogen, ausgepowert und gewaschen wieder vor dem Fitnessstudio. Doch zum ersten Mal war das Duschen der anstrengendste Teil des ganzen Besuchs gewesen. Darauf erstmal Pommes.
Eines Vollpfostens Freunde
Schweiß tropft von der Decke, von oben direkt auf den eh schon gelockten Vokuhila, der sich dadurch noch mehr zu locken beginnt. Ein nervöser Griff zum dünnen Schnauzer, bevor mit plötzlich aufkeimender Panik auf den Strobo-Knopf gedrückt wird. Scheiße. Schon wieder den Beat Drop verpasst. Glücklicherweise scheint das jedoch niemandem aufzufallen, da die Stimmung weiter kocht. Beeindruckend, wie dicht manche Menschen bereits während der ersten halben Stunde einer Party sein können. Vorglühen klärt. Geneigter Leser, wir beobachten einen jungen Wilden, der als Techniker eines dubiosen DJ-Duos, gemeinsam mit selbigem sein Party Debüt gibt. Auf der Mediziner-Ersti-Begrüßungsparty. Im vermutlich beliebtesten Club der Stadt. Wie er das jetzt schon wieder geschafft hat? Das fragt er sich auch. Um den verhängnisvollen Lauf der Dinge beschreiben zu können, sollten wir zuvor womöglich einen Blick auf seine beiden Begleiter werfen. Besagtes DJ-Duo existiert seit haargenau 48h. Er - hochgewachsen, dezent verstrahlt, mit Leoparden-Print-Mantel; Sie - Spotify-erprobt, trinkfest und eine ausgezeichnete Lügnerin. Beide - wahnhaft und ohne jegliches Schamgefühl.
Es war auf irgendeiner WG-Party, keiner weiß mehr, wann oder wo, da hatte sie sich mal wieder eine Geschichte zusammen gesponnen. Einfach so, weil sie Spaß daran hat und weil sie irgendwie auf diese exklusive Party wollte. Wer es nicht einmal versucht, hat ja schließlich schon verloren, oder nicht? Also erzählte sie, dass sie auflegen würde, zusammen mit Leopardenmantel-Lenny. Und da zu ihrem Dreiergespann nun einmal auch Vokuhila-Vincent gehört, wurde der kurzerhand als Techniker vorgestellt. Der Abend war lustig, die Geschichte auch und irgendwann torkelten alle nachhause und vergaßen die ganze Sache. Bis zur Woche vor der großen Party der Medizin-Erstsemester, als Lügengeschichten-Lexi plötzlich die Büchse der Pandorra öffnete: ihre DMs. Denn darin fand sie eine Nachricht, mit allen Details für ihren großen Auftritt. F%ck. Niemand hatte damit gerechnet, dass diese Sache tatsächlich Konsequenzen haben würde. Denn die Sache ist die: wie wird man DJ über Nacht? Und kannte irgendjemand von ihnen eine Person, die das entsprechende Equipment besitzt? Die Antwort war Nein. In beiden Fällen einfach Nein. Aber es half ja nichts, die Organisatoren erwarteten ein vorbereitetes DJ-Duo mit Techniker in 2 Tagen. Man bestellte also auf Amazon und erstellte Spotify-Playlisten. Und man schaute YouTube Tutorials. Viele davon. Das mit dem Schlafen ließ man bleiben. Und zwei Tage später stand man vor der Tür des beliebtesten Clubs der Stadt. Mit Laptop und Traktor-Board unter dem Arm aber ohne Plan.
Alles weitere, der Soundcheck, die ersten Ankömmlinge und wie sie es schafften, dass niemand, außer dem echten Techniker des Clubs, die wahre Identität ihres Aufschneider-Trios erkannte, verschwimmt in einem Nebel. Keiner weiß mehr genau, wie alles vor sich ging. Aber als Vokuhila-Vincent das nächste Mal zu sich kommt befindet er sich mittendrin. Im Strobo-Tornado seines DJ-Partylicht-Techniker-Seins. Hochkonzentriert, um die erste Party des Studierendenlebens 250 junger Menschen zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass diese Geschichte eine Einmal-und-nie-wieder-Sache war. Eine Normalerweise-passiert-mir-sowas-nicht-Aktion. Eine Das-sieht-mir-gar-nicht-ähnlich-Erzählung. Aber wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen: überraschend war an der ganze Sache gar nichts. Unglaublich mag sie sein, haarsträubend allemal. Aber ungewöhnlich? Nein. Und auch wenn unser Trio vielleicht nicht noch einmal zu DJ-Betrügern über Nacht wird, dann mit Sicherheit irgendetwas anderes.
Memoiren eines Vollpfostens III
Diesen Tag heute zu erleben, ist wahrhaftig ein Wunder!
Nein, ernsthaft, das ist nicht irgendein pseudo-inspirierendes Zitat aus einem Glückskeks. Dass ich diesen Tag heute erlebe, ist faktisch ein Wunder, ich wurde vorhin nämlich beinahe überfahren. Und nein, es war nicht meine Schuld, diesmal nicht! Ich habe eher das Gefühl, manche Menschen wachen morgens auf und entscheiden, dass heute ein ganz besonders günstiger Tag ist, um so richtig schlecht drauf zu sein. Und dann stehen sie auf und schnauzen erstmal ihre Frau an, dass es im Schlafzimmer so kalt ist. Zwar sind sie es, die nicht bei geschlossenem Fenster schlafen können, aber wenn ihre Frau sie wirklich lieben würde, könnte sie ja etwas früher aufstehen, um das Zimmer vorzuheizen. Also wirklich. Danach ist der liebe Gott dran, denn ein Blick aus dem Fenster bestätigt - es ist schon 6 Uhr und die scheiß Sonne scheint immer noch nicht! Was für ein Saftladen. Das Wasser in der Dusche braucht bestimmt 10 Sekunden, bis es endlich warm ist (warum bezahlt man eigentlich so viele Nebenkosten, wenn man dann das Wasser trotzdem mit der eigenen Körpertemperatur erwärmen muss), der Kaffee wurde zu heiß gekocht, den kann man so ja gar nicht trinken (daran ist wieder die Frau schuld) und die Haare machen sowieso immer was sie wollen, da bringt doch kein Kamm der Welt was (das geht wieder auf die Kappe vom lieben Gott). Was für ein menschenverachtender Verein (der Chef) verlangt überhaupt von ihnen, morgens um 7 schon aus dem Haus zu gehen? Jaja, die armen Schweine (sie selbst) knechten und dann selbst dran verdienen. Dabei wird natürlich wieder alle Arbeit an ihnen hängen bleiben, die anderen Arschgeigen (die Kollegen), kann man ja schließlich in der Pfeife rauchen. Und so steigen sie in ihr Auto, das ganz andere PS unter der Haube haben könnte, würden sie wenigstens ordentlich bezahlt werden, wenn sie schon den gesamten Laden schmeißen. Der Verkehr ist mal wieder unerträglich - hat die gesamte Stadt über Nacht verlernt, wie man Auto fährt??? Und dann auch noch die Fußgänger! Da wollen sie einmal links abbiegen, da muss so eine völlige Idiotin doch tatsächlich die Straße überqueren, auf die sie gerade einbiegen wollen! Dann geben sie ordentlich Gas, um vor ihr noch vorbei zu ziehen, auch wenn sie schon mitten auf der Straße steht, und müssen dann aber auf die Gegenfahrbahn, um diese dumme Kuh nicht über den Haufen zu fahren. Das ist doch die Höhe. Sie machen ja nun wirklich einiges mit, doch die Aktion verdient den Finger. So will es das Gesetz. Warum sind eigentlich die Menschen der Welt so kollektiv inkompetent? Und dann fahren sie weiter, denn die Arbeit macht sich ja nicht von alleine und wenn sie nicht da sind, dann wird sie überhaupt nicht gemacht.
So ungefähr muss es wohl gelaufen sein. Anders kann ich mir die heutigen Vorfälle nicht erklären. Aber was fällt mir auch ein, am helllichten Tage einfach so die Straße zu überqueren. Unerhört.
Memoiren eines Vollpfostens II
"Scheiße.", schimpfe ich leise vor mich hin und durchsuche nun schon den zehnten Tag in Folge meinen Schreibtisch nach meiner Fahrradlampe, um mir nicht eingestehen zu müssen, dass das Ding gestohlen wurde. War ja klar, dass das irgendwann passiert. Obwohl der Dieb besagter Lampe nicht gerade die hellste Leuchte gewesen sein kann. Mein Fahrrad steht ungesichert in unserem Hausflur, weil es im Hinterhof keine Stellplätze gibt, und die Haustür wird von den wundervollen Bewohnern meines Gebäudes stets sperrangelweit offen stehen gelassen. Mal ehrlich - warum hat er nicht gleich das ganze Fahrrad mitgenommen? Warum nur die Lampe? ... Nicht einmal ein Kleinkrimineller hat Bock auf mein Fahrrad. So viel dazu. Das blöde daran ist, dass man Fahrradlampen immer nur im Doppelpack bekommt und ich mir erst vor kurzem neue gekauft habe, weil ich mein letztes Vorderlicht habe fallen lassen. Jetzt habe ich zwei Rücklichter. Und keins für vorn. Glückwunsch an mich an dieser Stelle. Aber vielleicht auch gar nicht so schlecht, das ganze. Dann fahre ich wenigstens nicht mehr im Dunkeln Rad, denn meiner treu! Mein Unterbewusstsein scheint in der Sekunde, in der ich mit meinem Fahrrad auf die Straße fahre, einen Todeswunsch zu entwickeln. Manchmal frage ich mich schon selbst, wer mich eigentlich auf die Menschheit losgelassen hat.
Doch es hilft nichts, ohne Licht kann ich nicht Fahrrad fahren - in dieser Jahreszeit ist es ja schon ab 18 Uhr Nacht. Also auf zur U-Bahn. Und wenn ich ehrlich bin, kommt es mir tatsächlich sehr gelegen, eine Ausrede zu haben, mich unter den aktuellen Wetterbedingungen nicht derartig sportlich betätigen zu müssen. Entsprechend gut gelaunt über das hin und wieder holde Glück in meinem Leben steige ich ein und sehe mich zuerst einmal mit der Tatsache konfrontiert, dass die Bahn komplett überfüllt ist. Feierabendverkehr. Das heißt für mich, dass ich vermutlich die gesamte Fahrt über stehen werde. Um beim Anfahren des Fahrzeugs nicht auch noch einen akrobatischen Kurzstreckenflug ins nächste Abteil zu vollführen, gehe ich zur nächsten Sitzgruppe. Wenn ich schon keinen Sitzplatz bekomme, dann doch zumindest die Möglichkeit, mich an einem der Handgriffe festzuhalten (an die Stangen unter der Decke komme ich nämlich leider nicht heran, da mein Körper mit 12 Jahren beschlossen hatte, jetzt ausgewachsen zu sein). Beherzt greife ich nach besagtem Griff, als die Bahn ruckartig die Haltestelle verlässt - und ziehe meine Hand genauso ruckartig wieder zurück. Denn was soll ich sagen... das Ding, nach dem ich da so zielstrebig gegriffen habe, war keinesfalls ein Handgriff, wie ich und die restliche Mitfahrerschaft tragischer Weise feststellen mussten. Es handelte sich dabei um den kahlen Kopf eines meiner Mitpassagiere.
Ich muss vermutlich nicht erwähnen, dass die nächste Haltestelle soeben zum attraktivsten Reiseziel des Erdballs aufgestiegen ist. Ich denke mir noch, dass, wenn sich die Erde dazu entschließen würde unterzugehen, jetzt der erdenklich beste Moment wäre damit anzufangen, als ich unter einer hastig gemurmelten Entschuldigung fluchtartig die U-Bahn verlasse. What the heck.
Memoiren eines Vollpfostens
Wenn ich für jede dumme Aktion in meinem Leben einen Euro bekommen hätte, wäre ich heute Millionärin. Mindestens. Wenn ich mein Konto ansehe, scheine ich jedoch eher für jede dumme Aktion einen Euro abgegeben zu haben. Das also ist dieses berühmte Lehrgeld, das man bekannter Weise zu zahlen hat. Und so sitze ich am Frühstückstisch, fast 30, Single, mit kaum einem Cent in der Tasche und einer Wohnung, die so groß ist wie anderer Leute Schlafzimmer. Heute trinke ich meinen Kaffee ohne Milch, weil ich vergessen habe, einkaufen zu gehen. Als ich einen Schluck nehme, stelle ich fest, dass ich ebenfalls vergessen habe, Kaffeepulver in die Maschine zu füllen. Ich trinke also heißes Wasser mit leicht bräunlicher Färbung. Auch nicht schlimm, ich vertrage eh keinen Kaffee aber ich trinke ihn trotzdem. Ein Wesenszug, der vermutlich so einige Dinge in meinem Leben erklärt. So also sitze ich an meinem Hochtisch und bin ziemlich stolz auf mich selbst, denn seit gestern habe ich Stühle. Seit 3 Monaten wohne ich hier aber jetzt wird alles anders, denn jetzt habe ich zwei Stühle, auf denen man sitzen kann. Ich fühle mich, als hätte ich mein Leben im Griff. Ein sehr erhebendes Gefühl, nicht mehr auf dem Boden sitzend meine Cornflakes auf einer umgedrehten Holzkiste essen zu müssen. Die Frau von Welt isst auf einem Stuhl. Und die Frau ohne Rückenschmerzen. Die letzten Wochen zeigen, dass ich scheinbar langsam in das Alter komme, in dem man nicht mehr ungestraft ohne Möbel lebt. Das wilde Leben scheint den Jungen vergönnt zu sein und wie es aussieht gehöre ich dieser Gruppe Menschen nicht mehr an. Frech. Plötzlich heißt mein Lebensstil nicht mehr spannend und romantisch spontan, sondern planlos und aus dem Ruder gelaufen. Wer hat eigentlich diese dumme Regel erfunden, dass man mit 30 sein Leben im Griff haben muss? Bestimmt die Kapitalisten, alles Schlechte kommt von den Kapitalisten! Oder waren das die Kommunisten? Ach, keine Ahnung. Politik verwirrt mich. Ich wollte mir schon ewig angewöhnen, täglich Zeitung zu lesen, um nicht ständig die wichtigen Momente unserer Weltgeschichte zu verpassen aber das ist bisher immer daran gescheitert, dass ich Zeitunglesen einfach unerträglich langweilig finde. Zum Glück habe ich bei der letzten Wahl meinen Wahlschein verlegt und konnte keine Stimme abgeben. Ich wähle, wie andere Lotto spielen.
Ein Blick auf die Uhr lässt mich erschrocken hochfahren: schon 7.30 Uhr! Ich wollte eigentlich um 8 auf der Arbeit sein. Mit der Zahnbürste im Mund, um wenigstens das Minimum an morgendlicher Körperhygiene über die Bühne zu bringen, renne ich durch die Wohnung auf der Suche nach Socken ohne Löcher. Ich wusste, dass ich definitiv noch welche besitze aber die hatte ich vermutlich am Sonntag an. Egal, Hauptsache frisch gewaschen. Ich schmeiße meinen Laptop gekonnt auf meinen Rucksack und fluche, weil ich Zahnpaste auf meine letzte schwarze Jeans getropft habe. Schnell renne ich zum Waschbecken, um den Fleck umgehend auszuwaschen, auszuspucken, um noch weitere Unfälle zu vermeiden, und um zumindest einen kurzen Blick in den Spiegel zu werfen und mir auch das letzte Fünkchen Selbstbewusstsein zu rauben. Aus dem Spiegel blickt mich ein sehr müder, 12-jähriger Junge an. Also alles beim Alten. 5 Minuten später habe ich es geschafft und stehe auf der Straße. Hatte ich die Kerzen ausgemacht? Ich überlege kurz noch einmal hoch zu rennen und nachzusehen aber dann komme ich zu spät zur Arbeit. Soll die Bude doch abbrennen, dann kann ich mir von dem Versicherungsgeld ein neues Leben aufbauen. Da fällt mir ein, dass ich noch immer keine Hausratsversicherung abgeschlossen habe, der Brief liegt noch ungeöffnet in meinem Regal... Los geht's also. Was ich übrigens auch nicht besitze, ist ein Auto. Daher muss ich ein wenig rennen, da ich zu Fuß mindestens 20 Minuten zum Büro brauche. Heroisch trabe ich also in den Sonnenaufgang: Auf mich wartet ein neuer Tag! Zeit, ein paar Leute zu enttäuschen!